Da lebte einst die schüchterne Timida mit ihren drei grossen Brüdern fernab in einem idyllischen kleinen Dorf im Hinterland von Sardinien, umgeben von wilder Macchia, geprägt durch das trockene Klima und den kalkhaltigen Boden.
Eines Morgens kam Timida weinend zu ihrem jüngsten Bruder Beniamino. Sie litt fürchterlich an Schwänzeritits und hatte grosses Bauchweh. Die Welt da draussen erschien ihr viel zu gross. Beniamino holte aus dem Garten ein kleines würziges Kräutlein, das wunderbar zitronig duftete und rieb ihr mit einem Öl und dem Duft sanft den Bauch ein, sodass Timida nach kurzer Zeit mutig und kraftvoll Richtung Schule losmarschierte und sich ihr Weh im Bauch in Luft aufgelöst hat.
Langsam brach der rauhe Winter mit einem eisigen Wind und Kälte, trotz Sonne am strahlend blauen Himmel über die Hügel herein. Timida und ihre Brüder mussten jeden Tag einen langen Schulweg zurücklegen und abends vor dem Feuer wurde ihnen dennoch nicht richtig warm. So kam es, dass Timida eines Morgens das warme Bett nicht verlassen wollte. Ein hartnäckiger Husten schwächte das kleine feine Mädchen. Severo, ihr strenger grosser Bruder goss ihr einen herb-würzigen, medizinisch duftenden Tee aus einem unscheinbaren Kräutlein aus den Bergen auf und süsste ihn mit aromatischem Lavendel Honig. Timida musste kaum zwei Tage das Bett hüten, bis sie wieder gesund und munter umhersprang und die grossen Brüder mit ihrem Geplapper unterhielt. Von Husten keine Spur mehr!
So wuchs die kleine scheue Timida langsam zu einer anmutigen und selbstbewussten jungen Frau heran und verdrehte zunehmend mit ihrer Schönheit den jungen Männern im Dorf den Kopf. Bis es eines Tages um ihre Unschuld geschehen war. Als der kleine neue Erdenbürger die Welt erblickte, legte Timida's verträglicher Bruder Timo die Krippe mit einem zart rosa blühenden Kräutlein aus und bettete die kleine Thymiana sanft in das Marienbettstroh, wo sie gleich in einen friedlichen erholsamen Schlaf nach dem grossen Auftritt in diese Welt versank. Liebevoll umsorgt von den drei grossen Brüdern ihrer Mutter wuchs Thymiana zu einem gesunden und mutigen Mädchen heran und hüpfte bald mit den Bienen über die Thymianweiden um die Wette.
Schon die alten Ägypter verwendeten den Thymian um ihre Toten einzubalsamieren. Dies ist auch dem Wortstamm zu entnehmen, denn „tham“ bedeutet Duftpflanze zur Leichenwaschung und für Rauchopfer.
Im alten Griechenland wurde der Thymian als wichtigstes Räucherkraut eingesetzt, um den Männern vor dem Kampf Mut, Kraft und Stärke zu verleihen. Der Name der Thymusdrüse hat ihren Ursprung vom selben Wortstamm und habt ihr euch auch schon gefragt, warum sich die Affen immer wieder heftig auf das Brustbein schlagen? Um unser wichtigsten Immunorgan, die Thymusdrüse, zu aktivieren, was ihnen Kraft und Mut verleiht. So intelligent ist die Natur!
Seit dem Mittelalter wird das Frauenkraut mit seiner stark antibakteriellen Wirkung bei den Gebärenden sehr geschätzt. Ein rein ätherisches Öl gehört jedoch bei schwangeren Frauen ganz klar in therapeutische Hände, doch dazu später.
Das wichtigste Anwendungsgebiet,
sowohl früher wie heute,
sind Atemwegserkrankungen,
wie hartnäckiger Husten, Bronchitis und Asthma.
Botanisch betrachtet kennt man rund 150 Arten in der Thymianfamilie, die je nach Standort, Bodenbeschaffenheit und Klima variieren. Der kleine mediterrane Zwergstrauch ist in ganz Mittel- und Südeuropa bis nach Nordafrika verbreitet. Die aromatischen grau bis dunkelgrünen eher spitzen und schmalen Blätter sind am Rand leicht eingerollt und dicht filzig behaart, ihr natürlicher Sonnenschutz. Kurz gestielte Blüten in scheinquirligen Ähren bilden von Mai bis Oktober eine wunderbare Bienenweide.
Der Thymian mag viel Sonne, warme Steine und mageren, sandig-durchlässigen Boden und ab und zu eine Extraportion Kalk (gut verriebene Eierschalen, darüber freut er sich).
Der Echte Thymian (Thymus vulgaris) hat die grösste Heilkraft, ist frostempfindlich und in unseren Breitengraden nicht wildwachsend zu finden.
Im Gegensatz zum Feld-Thymian (Thymus pulegioides), auch als Quendel bekannt, der uns auf Wanderungen im Wallis als besonders würziges und unscheinbares Pflänzchen begegnet.
Den Sand-Thymian finden wir, wie es schon der Name sagt an der Küste. Dies nur eine knappe Hand voll der Thymian Vielfalt.
Das Männerkraut brachten die heilkundigen Mönche
um 800 über die Alpen in die Klostergärten,
wie beispielsweise ins Kloster Ittingen.
Hier findet sich ein Thymian Beet oder Bett,
in das sich die Mönche legten, um ihre Manneskraft zu stärken.
An dieser Stelle darf jeder denken was er möchte, wie sinnvoll das wohl war...
In Gärten und auf Balkonen finden wir heute meist den Zitronenthymian, beliebt dank seinem zitronigen und doch kräftig herb-würzigen Aroma und ideal geeignet für Heilzwecke als Gewürz, Tee, zur Inhalation oder Mundspülung. Verwendet wird dazu das blühende Kraut.
- Bitterstoffe wirken verdauungsfördernd und regen den Appetit an
- bei krampfartigen Bronchialerkrankungen, festsitzendem Husten löst er den Schleim, entkrampft und beruhigt die Bronchialmuskulatur und wirkt stark antibakteriell, antiviral und hemmt das Pilzwachstum
- stärkt die Abwehrkräfte gemäss einem alten Sprichwort: «Die nächste Grippe kommt bestimmt, doch nicht zu dem der Thymian nimmt.»
- bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum als Odol von der Wiese beseitigt er unangenehme Gerüche und wirkt wundheilungsfördernd
- als die Durchblutung anregender Badezusatz bei Gicht und Rheuma eine wohltuende und entspannende Erwärmung
Auch wenn der Zitronenthymian als Kinderthymian bezeichnet wird, weil er als Beniamino mild und verträglich ist, ist eine gewisse Zurückhaltung bei der Anwendung ratsam. Als Abend Tee ungeeignet, für Schwangere und Kinder unter zwei Jahren nicht zu empfehlen und auch Frauen mit einer Schilddrüsenüber-
funktion werden kaum mehr Ruhe finden, wenn er zu häufig und in grossen Mengen im Kochtopf landet.
Wie zu Beginn erwähnt, gehören die ätherischen Öle in fachkundige Hände, wo sie gerade in der Frauenheilkunde bei hartnäckigen Vaginalpilzen wahre Wunder bewirken können. Eine Mischung aus dem strengen Bruder Severo, dem Thymian Thymol, kombiniert mit der herb-blumigen und stark Pilz Wachstum hemmenden Rosengeranie in Form von pflegenden Vaginalzäpfchen, konnte ich schon mancher Frau damit helfen.
Kehren wir wieder zu unserem Märchen
über die schüchterne Timida zurück,
die zu einer mutigen Frau heranwuchs
und holen wir uns das herb-würzige Aroma in die Küche, das uns den Mut des Adlers verleihen soll.
Kartoffelgratin für Schüchterne
800g festkochende Kartoffeln, geschält und in sehr dünne Scheiben
geschnitten
3 Zehen Knoblauch, mit Vorliebe frischen, fein gehackt
frische Kräuter wie Zitronenthymian, Lorbeer, Rosmarin und
Bohnenkraut…kurzum hol dir die Provence in die Küche
Meersalz und frisch gemahlenen Pfeffer
ein gutes natives Olivenöl
Den Backofen auf 175°C vorheizen. Die Kartoffelscheiben ziegelartig in eine gefettete Auflaufform schichten, Kräuter und Knoblauch darauf verteilen. Salzen und pfeffern, mit Olivenöl beträufeln und die Form mit einer Alufolie abdecken.
Im Ofen 40 Minuten backen. Die Alufolie entfernen, den Backofen auf 250°C stellen und den Gratin noch weiter 10 Minuten backen, bis die Kartoffelscheiben goldbraun und knusprig sind.
So wird dieser bekömmliche Gratin ohne Milchprodukte uns nicht nur die Sonne des Südens in unsere Herzen bringen, er wird uns Mut und Kraft verleihen und schmeckt ausgezeichnet zu hoffentlich zahlreichen sommerlichen Grillabenden nach der langen Regenperiode.
Habt einen schönen Sommer!
Eure Odorata
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