In der germanischen Mythologie galt der „Hollerbusch“ als Lebens- und Sippenbaum und als Sitz des guten Hausgeistes, der Göttin Holda, abgeleitet vom althochdeutschen „hold“ (= heilen und geweiht). Noch heute findet man auf jedem Gehöft einen Holderbusch, meist neben dem Stall, zum Schutz des Lebens von Pflanzen und Tieren, die hier leben.
Und wo einst ein Holunder stand, wird immer wieder einer nachwachsen. Mancher Soldat vergrub seine Habseligkeiten unter einem Holler, da dieser auch nach Jahren des Krieges wiederzufinden war.
Die ersten Funde von Samen führen uns bis in die Steinzeit zurück. Seit der Antike gilt der Schwarze Holunder als Universalmedizin und „Apotheke der armen Menschen“. Man wusste um seine entzündungshemmende Heilwirkung. „Hollersprossen“ (Sommersprossen), bestrichen mit den feinen, weissen Doldenblüten, sollen dadurch sogar verschwinden. Und der Holunderschwamm, das Judasohr, das wir manchmal an alten Bäumen finden, galt als wirksames Mittel bei entzündlichen und schmerzenden Augen. Gut gereinigt und aufgeweicht auf die Augenlider gelegt, ein echter Jungbrunnen! – Lasst mich wissen, wenn ihr ein solches findet. Mir ist leider noch keines begegnet!
Botanisch gesehen gehört der Holunder zu den Geissblattgewächsen und weltweit sind es rund 40 Holunderarten. Bei uns sind drei heimisch, wobei der Schwarze Holunder (Sambucus niger) in der Heilkunde und für die Wildkräuterküche der Bekannteste ist.
Der Husholder ist eigentlich ein 3-8 Meter hoher Strauch, mit graubraunen glatten Ästen und vielen Korkwarzen auf der Rinde. Dies sind sichtbare Atmungsorgane (Lentizellen).
Ein weit verbreiteter Volksglaube besagt, dass die Rinde von oben nach unten abgeschabt, als Tee verabreicht, abführend wirkt, wo hingegen in die andere Richtung als Brechmittel.
Das Mark des Holuntar („hol“ = hohl und „tar“ = Baum) ist weich, weiss und kann herausgestossen werden. So entstand in der Antike die Sambucus, eine Flöte, deren Töne durch den Wind hervorgerufen werden. Kinder stellen Flöten und Blasrohre aus dem Pfeifenstockbaum her. Einfache Spielzeuge, die uns die Natur zu bieten hat.
Der Schwarzholder liebt halbschattige, feuchte Plätze und einen stickstoffreichen Boden. Deshalb ist er meist in der Nähe eines Miststockes zu finden, begleitet von der Brennnessel. Vögel verschleppen seine Samen, er ist somit selbstbefruchtend und braucht keine Bienen oder Insekten, um seinen Bestand in Europa bis nach Nordafrika zu erhalten.
Der April wettrige Mai hat dieses Jahr bewirkt, dass der Holunder eher spät blüht. Sehnsüchtig erwarte ich die ersten Crème weissen Blütendolden, um diese als „Holunder Tatara“ zu geniessen, ein Brotaufstrich aus den feinen Blüten, gehackten Kapern, Zitronenabrieb, etwas Olivenöl und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt.
Die Blüten sollten als ganze Dolden am Vormittag geerntet werden, nachdem es mindestens zwei Tage nicht geregnet hat, um reichlich von dem betörenden Duft des Blütenstaubes aufzufangen. Diese Blütendolden voller Kraft der Mitsommersonne wirken schweisstreibend speziell bei ständiger Erkältung und Fieber und haben eine unspezifische Resistenzsteigerung zur Folge.
Heilschwitzen mit dem „Schwitztee“ in einem 10 minütigen Fussbad, beeinflusst das Wärmeregulationszentrum im Gehirn. Durch das Fussbad wird die periphere Durchblutung angeregt und über diesen Impuls die Atemfunktion vertieft. Der Körper kann sich sanft reinigen und das Immunsystem wird gestärkt.
So vieles können wir von unseren Ahnen lernen. Auch sie wussten schon:
„Kopf kalt, Füsse warm, macht den Mediziner arm“.
Der Tee aus den Dolden zur Inhalation bei Sinusitis und Bronchitis verwendet, löst einerseits starke Verschleimung, beziehungsweise fördert den Schleim bei trockenem Husten.
Tee als Augenkompressen bei müden und überanstrengten Augen sind eine Wohltat!
"Hollermilch", als Bad oder Gesichtskompresse
100g frische Blüten 3 Stunden in 3dl kalte Milch einlegen, dann abseihen. Kühlt und beruhigt die Haut und macht sie besonders weich.
Ich freue mich jetzt schon, wenn die zahlreichen aufrecht am Busch stehenden Trugdolden zu schwer herabhängenden Beerendolden heranreifen. Diese Beeren enthalten das schwach giftige Sambunigrin. Deshalb sollten die Früchte nur gekocht verwendet werden.
Die violett schwarzen Früchte enthalten viel Vitamin C und nervenwirksame Vitamine der B-Gruppe und lindern so Nervenschmerzen, wie bei Gürtelrose.
Die Anthocyane, der blau schwarze Farbstoff, wirkt einerseits als Radikalfänger und mindert Nachtblindheit, was sich Piloten während des Weltkrieges zu Nutze gemacht haben. Zudem hat man eine stabilisierende Wirkung bei diabetischer Retinopathie (Erkrankung der Netzhaut) und Makula-Degeneration festgestellt, eine zunehmende Augenerkrankung im Alter.
Der gekochte Saft kann sehr gut selber hergestellt werden und begleitet uns durch kalte Wintermonate als „Fiebertee“, bei Erkältung, gegen Viren und Husten und wirkt leicht abführend, also nicht zu viel davon.
Dass dieser tief dunkelviolette Saft, zusammen mit Säure zum Färben von Stoffen geeignet ist, kann man sich vorstellen. Doch wer wusste, dass die zerstossenen Blätter ein schönes moosgrün ergeben und die zerriebene Rinde ein tiefes Schwarz?
Bekanntlich bewege ich mich in der Wildkräuter Küche auf vertrauterem Terrain als in der Farbkunde. Und da hat der Holunder Einiges zu bieten.
Marmelade oder Gelée aus den Beeren kann manchem Herbst- und Wintergericht einen intensiven Farbtupfer verleihen, sei es in einer Fleischrahmsauce oder zu einer Panna Cotta.
Aus dem allseits bekannten Holunderblütensirup lässt sich ein traumhaftes Holundereis zaubern oder eine Holunderblüten Apfeltorte, ein Cheesecake mit Holundersirup und zahlreiche Limonaden und Drinks. Auch ein Holunderblütenessig (Blüten 2 Wochen in Balsamico bianco einlegen) gehört zu meinen Neuentdeckungen, neben dem Holunderblüten Gelée aus Weisswein. Doch mein absoluter Favorit aus den Blüten ist ein Holler Brot.
Holunder-Buttermilch Brot
10 Holunderblütendolden
2,5dl lauwarme Buttermilch
Holunderblütenstiele abschneiden, die Blüten mit der Milch übergiessen und 3-4 Stunden ziehen lassen. Den Sud abseihen und nochmals 2 Stunden ziehen lassen.
1 bio Limette, nur Abrieb
500g helles Dinkelmehl
50g Rohzucker oder etwas mehr weisser Zucker
1 Prise Rosen- oder anderes Salz
1 Päckli Trockenhefe
1 grosses Ei
75g flüssige abgekühlte Butter
1 Eiweiss zum Bepinseln
einige Mandelblättchen zur Verzierung
Zuerst alle Trockenzutaten mischen, Eier und Butter in der Buttermilch verquirlen und zu den übrigen Zutaten geben. Zu einem Brotteig verarbeiten und diesen ungefähr 1 Stunde gehen lassen. Nochmals kurz durchkneten und zu einem schönen runden Brotlaib formen. Mit Eiweiss bestreichen und mit Mandelblättchen verzieren. Nochmals 15 Minuten ruhen lassen.
Im vorgeheizten Ofen bei 180° auf der untersten Rille ca. 35 Minuten backen.
Am Vorabend gebacken und am nächsten Morgen mit Lilo’s Rosengelée genossen kommt der Holundergeschmack besonders zur Geltung.
Viel Spass auf der weiteren Entdeckungsreise und vergesst nicht beim nächsten Kind das zur Welt kommt das Badewasser unter dem Hollerbusch auszugiessen. Dann wird es gesund und kräftig und kann gut klettern!
Herzlichst
Eure Odorata
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Erika Briggen (Mittwoch, 05 Juni 2019 21:33)
Super hast du es gemacht !!!