Zu meiner Ausbildung als Aromatherapeutin gehörten auch Duftreisen nach Frankreich und Italien, um die Entstehung der ätherischen Öle von der Pflanze bis ins Fläschchen zu erleben, um zu verstehen, warum ätherische Öle ihren Preis haben und wieviel Pflanzenmaterial in einem Tropfen duftendem Öl steckt.
Eines Morgens machten wir uns in der Morgendämmerung auf, um die Rosenpflückerinnen im Piemont bei ihrer Ernte auf dem Feld zu unterstützen. Jede mit einem Korb ausgestattet, pflückten wir Blüte um Blüte. Ab und zu wanderte eine in unseren Ausschnitt. Eingehüllt vom blumigen, balsamisch schweren Duft der Rosa Damascena erfüllte uns zunehmend eine heitere, leichte und fröhliche Stimmung, worüber wir ganz vergassen, wieviele Stunden harter Arbeit für einen Tropfen dieses wunderbaren Öls notwendig sind: Aus 30 Rosenblüten entsteht ein einziger Tropfen ätherisches Öl!
Da mir die Duftrose mit all ihren Erzeugnissen – ätherisches Öl, Hydrolat, Wildrosenöl, Verwendung der Blütenblätter - sehr am Herzen liegt und ein Blog über all diese ins Uferlose beziehungsweise zu einem dicken, dicken Buch führen würde, beschränke ich mich auf das vielseitig einsetzbare ätherische Öl zu Heilzwecken und in der Naturkosmetik.
Die Rose gehört der Pflanzenfamilie der Rosaceae an. In der nördlichen Hemisphäre findet man bis zu 3'000 Arten. Bei der Gewinnung des ätherischen Öls handelt es sich vorwiegend um die Rosa Damascena. Das grösste Anbaugebiet befindet sich am Fusse des Balkangebirges in Bulgarien, das zweitgrösste in der Türkei am Rande des Taurusgebirges.
In Marokko kamen die Menschen rein zufällig dazu, die Rose zu destillieren. Als schützender, lebendiger Zaun vor den Tieren pflanzten die Bauern die Rosa Damascena rund um ihre Felder. Da in der orientalischen Welt das ätherische Öl und Rosenwasser einen hohen Stellenwert haben, war es für die Menschen im Vallée des Roses im Atlas naheliegend Kooperativen mit Destillen einzurichten. Heute gehört das nordafrikanische Land zum drittgrössten Lieferanten für Rosenprodukte weltweit.
Die Haupterntezeit dauert 30 - 40 Tage von Mai bis Juni. Die einzelnen Blütenköpfe müssen in der Morgendämmerung bis spätestens 10 Uhr von Hand gepflückt werden, denn durch Sonne und Wind verflüchtigen sich die ätherischen Öle schnell. Die geernteten Blüten werden umgehend zur Destille gebracht. Die Menge, die es zur Gewinnung eines Liters ätherischen Rosenöls braucht, ist kaum fassbar: 3 - 4 Tonnen (!!!) Blüten. Sie werden in 800 Stunden Arbeit geerntet, um einen einzigen Liter Rosenöl zu destillieren. Seit ich dies mit eigenen Augen gesehen und miterlebt habe, erscheint mir der Preis von 7'500 Euro pro Kilogramm ätherisches Öl auch berechtigt und nachvollziehbar. In einem Tropfen steckt der Duft von 30 Blütenköpfen. Deshalb verwende ich in der Massage, zu Therapiezwecken und in der Naturkosmetik fast ausschliesslich 10%-iges Rosenöl. Das ist vollständig ausreichend in Bezug auf Duft und Wirkung.
Das ätherische Rosenöl setzt sich aus rund 400 chemischen Verbindungen zusammen: Je nach Rosensorte, Anbaugebiet und klimatischen Verhältnissen variieren diese und somit auch die Wirkungsweise. Dies hat auf die Hauptwirkungsweise für den allgemeinen Gebrauch jedoch keinen massgeblichen Einfluss. Für den privaten Gebrauch empfehle ich, bei der Wahl die eigene Nase entscheiden zu lassen. Bevorzugt man eher die blumige Duftnote der Rosa Damascena aus Persien, den herberen Duft aus Bulgarien oder den lieblich-feinen, weichen Duft einer Mairose? - Eine Liebhaberei, die zur Sucht ausarten kann, wenn man sie einmal für sich entdeckt hat. Wie bei gutem Wein reift der Duft im Fläschchen mit zunehmendem Alter.
Schon früh wurden in Krankenhäusern und Sanatorien Laubengänge aus Rosen angepflanzt, im Glauben daran, dass die Kranken geheilt würden, wenn man sie unter den edlen Blüten hindurchtragen würde.
So vielseitig schätzt man die Wirkung der Roseblüte im seelischen und körperlichen Bereich ein: Die Rose wirkt ausgleichend, harmonisierend, erotisierend und reguliert das Hormonsystem. Sie vermag seelische Verhärtungen aufzubrechen und Herzen zu öffnen, ein wahrer „Duft der Liebe“, wie ihn schon der Arzt und Philosoph Avicenna (980 bis 1037) nannte.
Auf körperlicher Ebene hat das ätherische Öl eine stark antibakterielle, antivirale und antimykotische Wirkung - speziell wirksam gegen den hartnäckigen Candida albicans. Der Verwendung bei Grippe, Erkältung, Infekten und Pilzen - vor allem im vaginalen Bereich - steht nichts im Wege. Zudem wirkt die Rose immunstimulierend und Lymphfluss anregend, was den Heilungsprozess allgemein im ganzen Körper unterstützt.
Die nerven- und herzstärkende Wirkung kann in Stresssituationen oder im hormonellen Wechsel eine wunderschöne, erhellende Stütze sein. Was man bei der Anwendung von pflanzlichen Heilmitteln jedoch nie ausser Acht lassen darf: Sie sind wunderbare Heilmittel, aber sie können keine Wunder bewirken! Ein ernsthaftes medizinisches Problem wie eine Herzerkrankung oder eine Depression können pflanzliche Heilmittel nicht heilen. Sie sind jedoch eine stärkende Unterstützung und duftende Begleitung.
Wunder durch Rosenöl darf man höchstens in der Behandlung von Wunden erwarten: Das Wildrosenöl, gewonnen aus den Samen der Hagebutte, der Scheinfrucht der Wildrose, lässt hartnäckige Narben sanft heilen und schwinden. So wird die Rose allgemein in der Naturkosmetik zur Behandlung jugendlicher Akne und reifer Haut verwendet. Bei letzterer wirkt sie faltenglättend.
...so viele Informationen und was nun? Wie und wo kann ich das Rosenöl anwenden? Dazu kann ich nur raten, der eigenen Intuition zu folgen. Immer schön der Nase nach, da kann nichts falsch gehen.
Verspürt man das Bedürfnis, sich nach einem langen und stressigen Tag nur noch hinzulegen, helfen zwei getränkte Wattepads mit Rosenwasser auf den Augen. So vergisst man den Alltagsstress in kurzer Zeit und die Welt erscheint umgehend wieder viel rosiger. Zudem werden die müden Augen es einem danken.
Bei mir steht immer ein kleines Fläschchen im Badezimmer griffbereit: 10 ml Jojobaöl (dieses hat eine sehr lange Haltbarkeit) mit 3-5 Tropfen ätherischem Rosenöl nach meiner Wahl. Dieser Duft ersetzt bei mir jede Parfumflasche und lässt mich morgens mit offenem Herzen und vertrauensvoll in den Tag starten.
Abends reinige ich zudem mein Gesicht mit Rosenhydrolat. So entledige ich mich von jeglichem seelischen Ballast des Alltags und pflege meine umweltgeplagte Haut.
Ja, und was schenkt uns die Rose in der Küche? Viel, sehr viel! Das ist schon seit tausenden von Jahren bekannt und da Liebe bekanntlich durch den Magen geht, sollte auch diese Möglichkeit nicht unversucht gelassen werden. Zu diesem Thema hat die für ihren Blütenschmaus bekannte Zürcher Rosenzüchterin Lilo Meier ein absolut einzigartiges Buch herausgegeben, eine Inspiration für die Küche, mit Bildern, die aus dem Herzen sprechen: „Tabula Rosa“.
Dennoch ein paar einfache Anregungen aus meiner Kräuterküche:
Rosenwasser
Bei der Wahl von Rosenwasser unbedingt auf gute Qualität achten. Es sollte sich um "Hydrolat" handeln. Unter der Bezeichnung "Rosenwasser" aus der Apotheke kann es sich auch um destilliertes Wasser, versetzt mit ätherischen Ölen und Alkohol handeln, was nichts mit einem echten Pflanzenwasser zu tun hat, wie zum Beispiel von Damascena, Primavera oder Farfalla.
- je nach Geschmack ein Kaffee- bis ein Esslöffel Rosenwasser über den Orangensalat mit Datteln, die marokkanische Variante, träufeln
- fein geschnittene getrocknete Aprikosen ungefähr eine Stunde in Rosenwasser einlegen und dann unter den Quinoa Salat mischen
- Granatapfelsaft mit Rosenwasser verfeinern und als Apéritiv servieren
- ein Lassi mit Rosenwasser, Kardamom und etwas Rosenzucker
Anstelle von Rosenwasser könnte man auch ätherisches Rosenöl verwenden. Dieses muss jedoch sehr sorgfältig dosiert werden, denn ein Tropfen zu viel kann einen unangenehmen Geschmack verursachen.
Rosenblütenblätter
Grundsätzlich kann jede Duftrose gegessen werden, wichtig ist einzig, dass sie ungespritzt ist! Entweder können frische Rosenblätter, ganz oder geschnitten, ein Gericht zu einem sinnlichen Erlebnis verwandeln oder die Blätter werden getrocknet verwendet:
- Rosensalz: 60 g feines Meersalz, 3 g getrocknete Rosenblüten im Cutter fein mahlen. Zum morgendlichen 3-Minuten-Ei eine Delikatesse!
- Rosenzucker: 250 g weisser Zucker, 15 g getrocknete Rosenblüten im Cutter fein mahlen. Als Veredelung über eine Aprikosenwähe verteilen.
Übrigens: Als Cutter verwende ich eine einfache elektrische Kaffeemühle, die ausschliesslich für Gewürze und Kräuter reserviert ist.
Und wie immer als krönender Abschluss...
Zart knusprige Rosen-Sablé
Für den Sablé-Teig
175 g weiche Butter
1/2 Stängel Vanilleschote, die ausgekratzten Samen
4 Tropfen ätherisches Rosenöl 10%
75 g Zucker
250 g helles Dinkelmehl, gesiebt
Für die Glasur
20 g Puderzucker
etwas ausgekratzte Samen der Vanilleschote
1-2 Tropfen ätherisches Rosenöl 10%
wenige getrocknete Rosenblätter, fein zerbröselt
Die Butter mit der Küchenmaschine gut weich rühren. Vanillemark, ätherisches Öl und Zucker beigeben und schaumig rühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Das Mehl dazu sieben und sorgfältig zu einem Teig zusammenfügen. Kühlstellen.
Entweder den Teig 5 mm dick auswallen und kleine Herzen ausstecken.
Oder Rollen formen, diese anfrieren lassen und dann in Scheiben schneiden.
Bei 200° in der Mitte des vorgeheizten Ofens ungefähr 10-12 Minuten backen
Die Sablé noch warm mit der Glasur bepinseln und mit Rosenblättchen dekorieren
An dieser Stelle möchte ich mich entschuldigen, dass ich gegen meinen Grundsatz „weniger ist mehr“ verstossen habe. Doch die Ausnahme bestätigt bekanntlich die Regel und gibt es einen rosigeren Grund als die Rose?
Ich hoffe, dass die Duftrose auch Eure Herzen berührt hat und Ihr in Zukunft mit neugieriger Nase an jedem Rosenstrauch vorbeigeht.
Mit rosigem Herzensgruss
Eure Odorata
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